Montag, 7. März 2022

Wenn Sie die Zukunft kennen wollen, lesen Sie die Vergangenheit!

Das Internet ist - wenn man es richtig lesen kann - ein guter Ratgeber in vielen Dingen. An diese Realität haben sich erstaunlicherweise viele Zeitgenossen noch nicht gewöhnt. 

Eine Internet-Realität ist, daß das Internet alles merkt und nichts vergißt. Rein technisch zumindest. Ob wir das dann merken oder lesen können, ist eine andere, separate Frage. 

So hatte kürzlich die russische Nachrichtenagentur RIA Novosti offenbar etwas verfrüht einen Kommentar vorbereitet für den Fall, daß der russische Einmarsch in der Ukraine sehr früh zu einem Erfolg werden würde. 

Zwar wurde der Kommentar umgehend wieder gelöscht, da war er aber bereits von „the archive.org“ - dem Internet-Archiv - gecrawlt worden. Seitdem kann man eine für die Ewigkeit bestimmte Version hier abrufen: Die Offensive Russlands und der neuen Welt


Via Google-Translate läßt sich das Ganze auch gut auf Deutsch lesen. 


Kurzum: Nach Lektüre dieses Berichtes einer staatstreuen Agentur glaube ich nicht, daß es Russland um eine „Eroberung“ der Ukraine geht - so wie westliche Medien dies fälschlich oft annehmen. Tatsächlich geht es um etwas viel tiefer liegendes, das sehr gut von Professor Mearsheimer in seinem Vortrag aus 2015 (nach der Krim-Krise) in einem Talk an der Uni Chicago erklärt wurde. Vielleicht täusche ich mich aber auch. 





Für komplexe Zusammenhänge gibt es häufig komplexe Erklärungen und man muß sich schon die Mühe machen, sich mit diesen auseinander zu setzen, wenn man dem Thema gerecht werden möchte. 


Als nächstes Thema möchte ich mich etwas mit technischer Aufklärung beschäftigen. Bereits Ende der 90er, als das Internet als solches noch nicht in den Haushalten der Republik angekommen war und Google noch „BackRub“ hieß, habe ich mich bereits mit der Auswertung von Satellitendaten des sog. „Keyhole“-Systems befaßt (lustigerweise damals auch unter dem Namen "Corona" bekannt), die man seinerzeit auf CD erstehen konnte. Aus diesen Daten konnte man mit der nötigen militärischen Grundkenntnis (zu der mein Grundwehrdienst bei den Funkrelaistrupps beigetragen haben mag) problemlos Aufmarschgebiete des Irakkrieges oder Maßnahmen der großen Verteidigungsbündnisse „Warschauer Pakt“ und „NATO“ identifizieren. Später, als diese „stationären/statischen“ Daten um weiteren Informationen, etwas aus FAS.org oder anderen Quellen ergänzt werden konnten, war es sogar für „Privatpersonen“ möglich, sich ein relativ gutes Lagebild zumindest in einem größeren Zeitrahmen von militärischen Maßnahmen und Operationen machen. 


Heute scheint sich - von vielen Menschen so oft wahrgenommen - die „Meinungsmaschine Internet“ zwar häufig in relativ engen Bahnen zu bewegen; dies ist jedoch oft nur eine wahrgenommene Eingleisigkeit, die dem Medium an sich unrecht tut. Die in (a)sozialen Medien oft kritisierten „Filterbubbles“ greifen eben auch darüber hinaus, wenn man sich im Rahmen eigener Recherche zu identifizierbar macht. 


Dabei sind die Möglichkeiten vielfältig: Allein über das Portal Flightradar24.com lassen sich momentan die Flugbewegungen der NATO-Staaten an der ukrainischen Grenze gut nachvollziehen. Zwar haben wir - aus guten Gründen - keine Flugverbotszone in der Ukraine. Jedoch haben wir eine „Aufklärungs- und Überwachungszone“, die weit in das ukrainische, belarussische und russische Territorium hineinreicht. 

Ich habe einmal einige Flugbewegungen des gestrigen Abends für Sie ausgewertet: 


- Mit der Flugnummer LAGR 231 fliegt eine KCC Extender, ein amerikanisches Tankflugzeug für Luftbetankungsoperationen, kommend aus Rammstein, kontinuierliche Schleifen über rumänischem Luftraum, um dort für amerikanische Jagdflugzeuge bereit zu stehen, damit diese dann nach ausgedehntem Einsatz für den Rückflug - oder eine Verlängerung - neu betankt werden können. Aufgrund des „Kreisgebietes“ kann man auch sehr gut sehen, in welchen Lufträumen sich die Jagdflugzeuge aufhalten werden. 


- Dasselbe macht die NATO unter der Flugnummer MFF 19, einem Airbus MRTT (MultiRoleTankerTransport) kommend aus Köln, mit dem über polnischem Luftraum dann auch deutsche und andere europäische Maschinen nachgetankt werden können. 


- Den Luftraum der baltische Staaten - und die Einblicknahme in belarussische Territorien - sichert jeden Abend unter der Flugnummer Yank02 eine US-amerikanische RC12 Guardrail, ein relativ kleines „SigInt“ Aufklärungsflugzeug, daß gegenwärtig jeden Abend von Siauliai in Litauen aufsteigt und von dort Dreiecksformationen entlang der belarussischen Grenze fliegt. 



- Das schwarze Meer rund um die Krim wird hingegen fast ganztägig unter der Flugnummer Forte12 von einer amerikanischen RQ4B Global Hawk-Drohne kontrolliert, die von der NATO-Basis „Passo Noce“ auf Sizilien starten. Auf den Satellitenbildern von Google Maps kann man dort übrigens ganz gut sehen, wie gerade eine solche Drohne aufgetankt wird. 



(Quelle aller Bilder: www.flightradar24.com)


Wie man sieht, können die Bemühungen der NATO-Staaten dank Internet auch ganz gut ohne geheime Nachrichtentechnik verfolgt werden; das Vernetzen verschiedener Quellen ist dabei für die Verifizierung der Glaubwürdigkeit von Bedeutung. 


Spannend ist z.B. die Verknüpfung mit Schiffsradar-Daten (MarineTraffic.com), über die sich oft zwanglos der Aufenthaltsort von "Carrier Strike Groups" ermitteln läßt. So läßt sich bereits aus öffentlich verfügbaren Daten sagen, wo demnächst militärische Operationen zu erwarten sind. 


Also: Viel Spaß beim Ausbrechen aus der persönlichen Filterblase!