Donnerstag, 22. Juni 2017

Vorratsdatenspeicherung v2.0 europarechtswidrig

"Getretener Quark wird breit, nicht stark!" - sagte früher mal ein Lehrer zu mir. Trotzdem hatte der Gesetzgeber nach der gescheiterten Vorratsdatenspeicherung 1.0 eine neue Regelung auf den Weg gebracht, die in diesen Tagen die "Erbringer öffentlicher Telefondienste" und Internetprovider allgemein verpflichtet hätte, diverse Verkehrsdaten der Kommunikation generell für 10 Tage, in bestimmten Fällen sogar für 4 Wochen, zu speichern und für Ermittlungsbehörden vorzuhalten. So steht es in § 113b TKG.

Es gibt Tage, an denen freut man sich, in Münster zu wohnen: Unser OVG hat heute entschieden, daß diese Regelung nicht europarechtskonform ist und - jedenfalls in ihren gegenwärtigen Ausgestaltung - insbesondere nicht mit Art. 15 Abs. 1 der Datenschutzrichtlinie für elektronische Kommunikation 2002/58/EG vom 12. Juli 2002 vereinbar sei.
Die anlasslose Speicherung der Daten könne auch nicht dadurch kompensiert werden, daß Behörden Zugang zu diesen nur zum Zweck der Verfolgung schwerer Straftaten beziehungsweise deren Abwehr erhalten. Mindestens erforderlich sei vielmehr, daß die Regelung den von der Speicherung betroffenen Personenkreis von vornherein auf Fälle beschränke, bei denen ein zumindest mittelbarer Zusammenhang mit der durch das Gesetz bezweckten Verfolgung schwerer Straftaten bzw. der Abwehr schwerwiegender Gefahren für die öffentliche Sicherheit bestehe.
Das wirft für mich die interessante Frage auf, ob denn wohl ein Provider selbst - durch prediktive Algorithmen etwa - eine Beschränkung auf Fälle vornehmen könnte, bei denen eine erhöhte Wahrscheinlichkeit für einen solchen mittelbaren Zusammenhang besteht. Das müßte ja in der heutigen Welt von "Big Data" machbar sein; immerhin kann die von der bayrischen Polizei 2014 getestete Software "precob" schon relativ genau vorhersagen, wo demnächst in einem bestimmten Wohngebiet mit erhöhter Wahrscheinlichkeit eingebrochen werden wird.
Glücklicherweise scheint der Gesetzgeber auf diese Idee noch nicht gekommen zu sein. Denn was eine Maschine sagt, ist der Mensch oft eher bereit, für wahr zu halten - mit allen Folgen.

Quellen:
OVG Münster
Heise News