Recht(s) und Links - das Recht und Technik -Blog von IT-Fachanwalt Jürgen Hüneborn aus Münster. Meldungen, Fachartikel, Besprechungen - alle Kuriositäten, die mir so täglich über den Weg laufen, werden hier kommentiert und für Sie seziert! Viel Spaß bei der Lektüre.
Donnerstag, 12. Juli 2018
Digitaler Nachlass
Der "Digitale Nachlass" ist bereits seit einiger Zeit ein offener Problemfall für IT-Rechtler und Erbrechtler. Denn gerade hier gehen "gefühltes Recht" und "tatsächliches Recht" weiter auseinander, als es vielen klar ist.
Für viele ältere Menschen war klar: "Erbe heißt Universalnachfolge", also habe ich auch Zugriff auf alle Konten, Profile etc. aus der Online-Welt. Dem wurden immer schon datenschutzrechtliche Bedenken und das Fernmeldegeheimnis entgegen gehalten, gerade von Jüngeren, die gewohnt sind, auch sehr persönliche Daten über einen online-Dienst mit bestimmten Personen zu teilen.
So einfach ist es allerdings auch nicht: Wenn man in § 1922 I BGB hineinschaut, steht dort: "Mit dem Tode einer Person (Erbfall) geht deren Vermögen (Erbschaft) als Ganzes auf eine oder mehrere andere Personen (Erben) über." Die gern überlesene Einschränkung lautet hier: "Vermögen"! Nur Dinge, die einen Vermögenswert besitzen, gehen auf den Erben über.
Seit drei Instanzen streiten nun die Eltern eines damals 15-jährigen Mädchens mit facebook über die Zugänglichmachung des Accounts des Kindes - dieser wurde nach dem Tod in den sog. "Gedenkzustand" versetzt, bei dem die private Kommunikation des ursprünglichen Inhabers nicht mehr eingesehen werden kann. Unter Hinweis auf Datenschutz und Fernmeldegeheimnis weigerte sich facebook bisher, den Erben Zugriff auf die private Kommunikation zu geben. Der BGH hat die Angelegenheit nun anders als die Vorinstanz entschieden: Die Eltern treten als Erben in den Nutzungsvertrag mit facebook ein. Als Vertragsinhaber haben sie die gleichen Rechte wie der Erblasser, also ihre Tochter. Nicht anders wäre die Situation, wenn in einer Wohnung des Verstorbenen private Briefe, Tagebücher o.ä. aufgefunden werden. Datenschutzrechtliche Bedenken müßten zugunsten dieser Rechtsnachfolge zurücktreten.
Die Entscheidung überrascht viele Juristen, die erwartet hatten, daß die Themen des postmortalen Persönlichkeitsschutzes und des Fernmeldegeheimnisses vom BGH anders gewichtet werden. Auf jeden Fall bietet das Urteil Anlaß zur Ausweitung unserer Tätigkeit als IT-Anwälte: Regelung des digitalen Nachlasses!
Links:
Heise - News
Spiegel online
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