Ein interessanter
Beitrag meiner Mitarbeiterin Frau Beckerhoff zum Urteil des LG Bonn
zum Thema Berufshaftung und SPAM-Filter...
Obgleich es im
entscheidenden Sachverhalt nicht auf die Ausführungen ankam, stellt
das Landgericht Bonn in seinem Urteil ( AZ. 15 O 189/13) zum
Schadensersatz aus einem Anwaltsvertrag fest, daß derjenige, der ein
geschäftliches Email-Konto mit aktiviertem Spam-Filter unterhält,
seinen Spam-Ordner täglich durchsehen muß, um versehentlich als
Werbung aussortierte Emails zurück zu holen. Die Entscheidung
eröffnet den Blick auf vergleichbare Zusammenhänge bei der
herkömmlichen Post sowie den systematischen Hintergrund für die
Anforderungen.
Im vorliegenden Fall
hatte der beklagte Rechtsanwalt eine von der Gegenseite seiner
ehemaligen Mandantin – der jetzigen Klägerin - als Email
erhaltenes Vergleichsangebot nicht innerhalb der gesetzten
Annahmefrist an die Klägerin weitergeleitet. Der Beklagte hat
vorgetragen, die Email sei in den Spam-Ordner seines Email-Kontos
gelangt. Unstreitig hatte der Beklagte jedoch vor Ablauf der
Annahmefrist Kenntnis von dem Vergleichsangebot.
Die in der
verspäteten Weiterleitung des Vergleichsangebots liegende Verletzung
der anwaltlichen Pflicht sei, so das Gericht, auch schuldhaft
erfolgt. Der Beklagte könne sich gegen das nach § 280 Abs. 1 S. 2
BGB vermutete Verschulden nicht dadurch entlasten, daß die Email
nicht im Email-Postfach einging, sondern durch den Spam-Filter
aussortiert worden sei. Der Beklagte habe die im Verkehr
erforderliche Sorgfalt nicht beachtet, weil er seinen Spam-Filter
nicht täglich kontrolliert hat. Die Email-Adresse führe der
Beklagte auf seinem Briefkopf auf und stelle sie dadurch als
Kontaktmöglichkeit zur Verfügung. Es liege im Verantwortungsbereich
des Beklagten, wenn er eine Email-Adresse zum Empfang von Emails zur
Verfügung stelle, daß ihn die ihm zugesandten Emails erreichen.
Die Entscheidung
mutet zunächst kontraproduktiv an, da der Sinn eines Spam-Filters
gerade darin besteht, unerwünschte und aufwändig zu bearbeitende
Werbemails für den Nutzer auszusortieren.
Betrachtet man
hingegen die Rechtsprechung zur Behandlung der in den herkömmlichen
Briefkasten gelangten Post, so sind die Erwägungen des LG Bonn
konsequent. Als Maßstab für die angemessene Sorgfalt wird danach –
zumeist im Rahmen des Verschuldens bei der Wiedereinsetzung in den
vorigen Stand wegen Fristversäumung - nicht nur die Schaffung
ausreichender Vorkehrungen dafür angesehen, daß der Empfänger die
an ihn gerichtete Post tatsächlich erhält. Auch reicht es zur
Sicherstellung des tatsächlichen Empfangs nicht allein aus, einen
geeigneten Briefkasten anzubringen und regelmäßig zu entleeren.
Erforderlich ist darüberhinaus danach auch, daß die in den
Briefkasten gelangende Post gründlich durchgesehen und kontrolliert
wird, damit Schriftstücke nicht übersehen werden oder
verlorengehen. Zu einer sorgfältigen Überprüfung gehört auch die
Durchsicht alltäglicher Werbesendungen, um wichtige Post
aussortieren und wahrnehmen zu können.( OVG NW Urteil v.22.08.1996,
AZ. 20 A 3523/95; Baumbach/Lauterbach/Albers/Hartmann ZPO 72. A.
2014, § 233 Rn 35; in diesem Sinne auch LAG Köln MDR 1994, 1245)
Das Landgericht Bonn
überträgt damit die für die Postsendungen im Hausbriefkasten
bestehenden Anforderungen auf die Email-Empfangsvorrichtugen. Eine
solche Gleichstellung scheint gerechtfertigt. Mit der Anbringung
eines Hausbriefkasten wird der Kasten als Empfangsvorrichtung für
den Empfang von Erklärungen gewidmet. Entsprechend ist eine Mail-Box
als solche Empfangsvorrichtung anzusehen, wenn der Nutzer im
Geschäfts- und Rechtsverkehr mit seiner Email-Adresse auftritt.(
vgl. Ultsch, NJW 1997, 3007)
Zwar gibt es
bezüglich der Sorgfaltspflichten bei Postsendungen Erwägungen zur
Zumutbarkeit, die darauf abstellen, daß der Erhalt von
Werbesendungen durch entsprechende Aufkleber am Briefkasten
weitgehend unterbunden, jedenfalls aber auf ein verträgliches Maß
begrenzt werden kann( OVG NW Urteil v. 22.08.1996, AZ 20 A 3523/95);
ein Ziel, das gerade auch durch den Spam-Filter erreicht werden soll.
Im Unterschied zu der Unterlassungsaufforderung auf dem Briefkasten,
die den Erhalt der regulären Post durch die Zusteller nicht
verhindert, ist es bei dem Spam-Filter technisch nicht gesichert, daß
nicht auch erwünschte wichtige Emails aussortiert werden, so daß
die Zumutbarkeitserwägungen hier nicht in gleichem Maße greifen.
Die Stimmigkeit der
Rechtsprechung im Regelungszusammenhang ergibt sich aus der
Zusammenschau mit den Bestimmungen zum Zugang einer Willenserklärung.
Soweit man die in einer Datei gespeicherte und – wie regelmäßig –
in der Mail-Box eingelegten Email als eine verkörperte
Willenserklärung unter Abwesenden ansieht, richtet sich deren Zugang
nach § 130 BGB. Nach § 130 BGB genügt es für den Zugang bereits,
daß die Erklärung so in den Machtbereich des Empfängers gelangt
ist, daß dieser die Möglichkeit zur Kenntnisnahme hat. Der Zugang
ist dabei in dem Zeitpunkt gegeben, in dem der Empfänger unter
gewöhnlichen Umständen von der Erklärung Kenntnis nehmen konnte.
Maßgeblich ist bei der Email somit, wann eine Leerung der Mail-Box
üblicherweise erwartet werden kann. Dies ist der Eingangstag oder
spätestens, wenn die Mitteilung außerhalb der üblichen
Geschäftszeiten eingeht, der nächste Tag. (Ultsch, NJW 1997, 3007,
3008/9; MK-Einsele BGB 6.A. 2012, § 130 Rn 18,19; Pal-Ellenberger
BGB 73.A., § 130 Rn 7a) Dies muß entsprechend auch für die in
einem Spam-Filter aussortierte Email gelten, da auch diese dem
Zugriffs- und Verantwortungsbereich des Empfängers unterliegt. Der
Spam-Filter teilt quasi als Unterfach der Mail-Box den Charakter der
Empfangsvorrichtung, da er unter der selben Email-Adresse geführt
und erreicht wird. Die Frage eines Zugangshindernisses oder einer
Zugangsstörung stellt sich damit nicht. Die Wirksamkeit der
Erklärung tritt somit unabhängig von der tatsächlichen Kenntnis
mit dem Zugang nach § 130 BGB ein. Will der geschäftlich tätige
Nutzer nicht die Gefahr der Verfristung oder Untätigkeit gegenüber
wichtigen und eilbedürftigen Nachrichten eingehen, muß er
regelmäßig auch die in seinen Spam-Filter gelangten Emails auf
wichtige Nachrichten kontrollieren. Der von der Rechtsprechung
geforderte Tages-Rhythmus dürfte sich dabei auf Grund des
Zugangszeitpunktes und damit der Wirksamkeit der Erklärungen
rechtfertigen. Zurechnungserwägungen nach Risikosphären kommen
unter dem Gesichtspunkt der Zugangsstörung lediglich dann in
Betracht, wenn auf Grund der Art der Filtertechnik keine Speicherung
in dem Spam-Ordner erfolgt und die Email für den Nutzer nicht
abrufbar ist.
Der eigentliche
Grund für die danach grundsätzlich gegebene Untersuchungspflicht,
wie sie das LG Bonn annimmt, liegt letztendlich in den technischen
Unzulänglichkeiten der Spam-Filter, die nach wie vor Fehlerraten
aufweisen, die eine Kontrolle des wahren Inhalts der elektronischen
Erklärung nötig machen. Anders könnte die Interessenlage zu
beurteilen sein, wenn eine sichere Methode für die Werbefilter
besteht.