Dienstag, 18. November 2014

Tägliche Kontrolle des geschäftlichen Spam-Filters



Ein interessanter Beitrag meiner Mitarbeiterin Frau Beckerhoff zum Urteil des LG Bonn zum Thema Berufshaftung und SPAM-Filter...

Obgleich es im entscheidenden Sachverhalt nicht auf die Ausführungen ankam, stellt das Landgericht Bonn in seinem Urteil ( AZ. 15 O 189/13) zum Schadensersatz aus einem Anwaltsvertrag fest, daß derjenige, der ein geschäftliches Email-Konto mit aktiviertem Spam-Filter unterhält, seinen Spam-Ordner täglich durchsehen muß, um versehentlich als Werbung aussortierte Emails zurück zu holen. Die Entscheidung eröffnet den Blick auf vergleichbare Zusammenhänge bei der herkömmlichen Post sowie den systematischen Hintergrund für die Anforderungen.

Im vorliegenden Fall hatte der beklagte Rechtsanwalt eine von der Gegenseite seiner ehemaligen Mandantin – der jetzigen Klägerin - als Email erhaltenes Vergleichsangebot nicht innerhalb der gesetzten Annahmefrist an die Klägerin weitergeleitet. Der Beklagte hat vorgetragen, die Email sei in den Spam-Ordner seines Email-Kontos gelangt. Unstreitig hatte der Beklagte jedoch vor Ablauf der Annahmefrist Kenntnis von dem Vergleichsangebot.
Die in der verspäteten Weiterleitung des Vergleichsangebots liegende Verletzung der anwaltlichen Pflicht sei, so das Gericht, auch schuldhaft erfolgt. Der Beklagte könne sich gegen das nach § 280 Abs. 1 S. 2 BGB vermutete Verschulden nicht dadurch entlasten, daß die Email nicht im Email-Postfach einging, sondern durch den Spam-Filter aussortiert worden sei. Der Beklagte habe die im Verkehr erforderliche Sorgfalt nicht beachtet, weil er seinen Spam-Filter nicht täglich kontrolliert hat. Die Email-Adresse führe der Beklagte auf seinem Briefkopf auf und stelle sie dadurch als Kontaktmöglichkeit zur Verfügung. Es liege im Verantwortungsbereich des Beklagten, wenn er eine Email-Adresse zum Empfang von Emails zur Verfügung stelle, daß ihn die ihm zugesandten Emails erreichen.

Die Entscheidung mutet zunächst kontraproduktiv an, da der Sinn eines Spam-Filters gerade darin besteht, unerwünschte und aufwändig zu bearbeitende Werbemails für den Nutzer auszusortieren.
Betrachtet man hingegen die Rechtsprechung zur Behandlung der in den herkömmlichen Briefkasten gelangten Post, so sind die Erwägungen des LG Bonn konsequent. Als Maßstab für die angemessene Sorgfalt wird danach – zumeist im Rahmen des Verschuldens bei der Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen Fristversäumung - nicht nur die Schaffung ausreichender Vorkehrungen dafür angesehen, daß der Empfänger die an ihn gerichtete Post tatsächlich erhält. Auch reicht es zur Sicherstellung des tatsächlichen Empfangs nicht allein aus, einen geeigneten Briefkasten anzubringen und regelmäßig zu entleeren. Erforderlich ist darüberhinaus danach auch, daß die in den Briefkasten gelangende Post gründlich durchgesehen und kontrolliert wird, damit Schriftstücke nicht übersehen werden oder verlorengehen. Zu einer sorgfältigen Überprüfung gehört auch die Durchsicht alltäglicher Werbesendungen, um wichtige Post aussortieren und wahrnehmen zu können.( OVG NW Urteil v.22.08.1996, AZ. 20 A 3523/95; Baumbach/Lauterbach/Albers/Hartmann ZPO 72. A. 2014, § 233 Rn 35; in diesem Sinne auch LAG Köln MDR 1994, 1245)
Das Landgericht Bonn überträgt damit die für die Postsendungen im Hausbriefkasten bestehenden Anforderungen auf die Email-Empfangsvorrichtugen. Eine solche Gleichstellung scheint gerechtfertigt. Mit der Anbringung eines Hausbriefkasten wird der Kasten als Empfangsvorrichtung für den Empfang von Erklärungen gewidmet. Entsprechend ist eine Mail-Box als solche Empfangsvorrichtung anzusehen, wenn der Nutzer im Geschäfts- und Rechtsverkehr mit seiner Email-Adresse auftritt.( vgl. Ultsch, NJW 1997, 3007)
Zwar gibt es bezüglich der Sorgfaltspflichten bei Postsendungen Erwägungen zur Zumutbarkeit, die darauf abstellen, daß der Erhalt von Werbesendungen durch entsprechende Aufkleber am Briefkasten weitgehend unterbunden, jedenfalls aber auf ein verträgliches Maß begrenzt werden kann( OVG NW Urteil v. 22.08.1996, AZ 20 A 3523/95); ein Ziel, das gerade auch durch den Spam-Filter erreicht werden soll. Im Unterschied zu der Unterlassungsaufforderung auf dem Briefkasten, die den Erhalt der regulären Post durch die Zusteller nicht verhindert, ist es bei dem Spam-Filter technisch nicht gesichert, daß nicht auch erwünschte wichtige Emails aussortiert werden, so daß die Zumutbarkeitserwägungen hier nicht in gleichem Maße greifen.

Die Stimmigkeit der Rechtsprechung im Regelungszusammenhang ergibt sich aus der Zusammenschau mit den Bestimmungen zum Zugang einer Willenserklärung. Soweit man die in einer Datei gespeicherte und – wie regelmäßig – in der Mail-Box eingelegten Email als eine verkörperte Willenserklärung unter Abwesenden ansieht, richtet sich deren Zugang nach § 130 BGB. Nach § 130 BGB genügt es für den Zugang bereits, daß die Erklärung so in den Machtbereich des Empfängers gelangt ist, daß dieser die Möglichkeit zur Kenntnisnahme hat. Der Zugang ist dabei in dem Zeitpunkt gegeben, in dem der Empfänger unter gewöhnlichen Umständen von der Erklärung Kenntnis nehmen konnte. Maßgeblich ist bei der Email somit, wann eine Leerung der Mail-Box üblicherweise erwartet werden kann. Dies ist der Eingangstag oder spätestens, wenn die Mitteilung außerhalb der üblichen Geschäftszeiten eingeht, der nächste Tag. (Ultsch, NJW 1997, 3007, 3008/9; MK-Einsele BGB 6.A. 2012, § 130 Rn 18,19; Pal-Ellenberger BGB 73.A., § 130 Rn 7a) Dies muß entsprechend auch für die in einem Spam-Filter aussortierte Email gelten, da auch diese dem Zugriffs- und Verantwortungsbereich des Empfängers unterliegt. Der Spam-Filter teilt quasi als Unterfach der Mail-Box den Charakter der Empfangsvorrichtung, da er unter der selben Email-Adresse geführt und erreicht wird. Die Frage eines Zugangshindernisses oder einer Zugangsstörung stellt sich damit nicht. Die Wirksamkeit der Erklärung tritt somit unabhängig von der tatsächlichen Kenntnis mit dem Zugang nach § 130 BGB ein. Will der geschäftlich tätige Nutzer nicht die Gefahr der Verfristung oder Untätigkeit gegenüber wichtigen und eilbedürftigen Nachrichten eingehen, muß er regelmäßig auch die in seinen Spam-Filter gelangten Emails auf wichtige Nachrichten kontrollieren. Der von der Rechtsprechung geforderte Tages-Rhythmus dürfte sich dabei auf Grund des Zugangszeitpunktes und damit der Wirksamkeit der Erklärungen rechtfertigen. Zurechnungserwägungen nach Risikosphären kommen unter dem Gesichtspunkt der Zugangsstörung lediglich dann in Betracht, wenn auf Grund der Art der Filtertechnik keine Speicherung in dem Spam-Ordner erfolgt und die Email für den Nutzer nicht abrufbar ist.

Der eigentliche Grund für die danach grundsätzlich gegebene Untersuchungspflicht, wie sie das LG Bonn annimmt, liegt letztendlich in den technischen Unzulänglichkeiten der Spam-Filter, die nach wie vor Fehlerraten aufweisen, die eine Kontrolle des wahren Inhalts der elektronischen Erklärung nötig machen. Anders könnte die Interessenlage zu beurteilen sein, wenn eine sichere Methode für die Werbefilter besteht.