Nutzergruppen, micro-moments, behavioural advertising und die Zukunft der Online-Werbung
Offenbar haben es einige noch nicht mitbekommen, aber wir steuern gerade auf eine post-cookie-Welt zu.
Anfang März hat Google angekündigt, auf das Tracking einzelner User für Werbenetzwerke zu verzichten. Googles Chrome-Browser unterstützt dann in absehbarer Zeit keine von Dritten gesetzte Cookies (Third-Party-Cookies) mehr.
Die Überraschung war nicht gering. Ein großes, chinesisches Werbenetzwerk hat dementsprechend auch bereits verschiedene "Umgehungstechniken" in der Erprobung, da ja nicht nur Google "zum Problem wird", sondern auch Apple mit dem Wegfall der Werbe-ID auf Smartphones die Werbenden vor Schwierigkeiten stellt.
Nun könnte man ja auch die irrige Idee kommen, daß Google mit dieser Maßnahme das Ende der personalisierten Werbung einläutet. Das ist aber natürlich nicht so. Aus Googles Sicht ist eine genaue Identifizierung des Nutzers einfach nicht mehr notwendig.
Die Stichworte sind Gruppen/Kohortenbildung, micro-moments und behavioural advertising.
Das erste Stichwort bedeutet, den Nutzer anhand seines Verhaltens und seiner Gewohnheiten einer aussagekräftigen, pseudonymen Gruppe zuzuordnen. Mehr ist aus Werber-Sicht eigentlich nicht mehr erforderlich. Die Zusatzinformation, daß der Kunde "Müller" heißt, ist aus Verkäufersicht von geringem Wert. Wenn alle notwendigen Daten auch pseudonym erhoben werden, gibt es eigentlich kein Argument für die Identifizierbarkeit. Es genügt z.B., durch den Kauf bestimmter Genußprodukte oder Lektüre von bestimmten Nachrichten zu wissen, daß der Nutzer möglicherweise in die Gruppe der "Besserverdiener" gehört und daher auch mal eine Immobilienkredit-Werbung sehen sollte. Ein Ratenangebot für eher preiswerte Verbrauchsgüter wäre dagegen weggeworfene Werbekapazität.
Ebenso "Micro Moments" - genauer die Frage: Was wird der Nutzer aus seinem Kontext heraus als nächstes tun? Nutzer, die gegen 17:30 ein Taxi zum X-Platz bestellen und vorher in der Suchmaschine nach einem bestimmten Schauspieler geschaut haben, werden mit einer Wahrscheinlichkeit von 85% ins Kino gehen. Das ist ein (stark vereinfachtes) Beispiel für einen Handlungsablauf, den Google per KI identifizieren will und dann für Warenempfehlungen und Vermarktung an seine Partner nutzen wird.
Behavioural advertising wiederum ist das Ausspielen von bestimmter Werbung anhand des vorherigen, ausgewerteten Nutzerverhaltens. Wer nach Frühlingsblühern, Rollrasen und Mittagsruhezeiten sucht, hat wahrscheinlich einen eigenen Garten und ist auch für Rasenmäherwerbung empfänglich. Auch hier sind natürlich viel kompliziertere Zusammenhänge denkbar, die oft erst durch eine KI-basierte statistische Auswertung zu Tage treten. Anders gesagt: Erst mit KI macht big data richtig Sinn!
Die Frage (aus Nutzersicht) ist nun natürlich: Bringt das nun mehr Privatsphäre oder nicht? Das kann so sein; wenn allerdings die Gruppenbildung oder behavioural analysis zur - vielleicht auch falschen - Profilbildung beiträgt, ist dem Endnutzer wenig gedient.
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