Mittwoch, 9. Dezember 2015

Kontrollverlust...


"The iPod completely changed the way people approach music." - Das sagte damals Karl Lagerfeld, als er offensichtlich von dem kleinen technischen Wunderwerk beeindruckt war. Auf der WWDC 2015 hat apple den neuen Streamingdienst "apple music" vorgestellt. This, again, changes it all?
Nun ja, man könnte sagen: "Apple music is going to change the way, we all listen to music!". Das würde allerdings etwas kurz greifen. Richtig wäre stattdessen: "Apple music is going to change the way, we all are paying for music!". Dem Konsumenten wird endgültig das Eigentum am digitalen Gut entzogen. Es ist eher wie "Flatrate-Saufen": Für die monatliche Pauschale von € 9,99 bekommt man eine "von unseren music-lovers und Experten" ausgewählte Auswahl an Songs, Masse statt Klasse, Quantität statt Audio-Qualität, jeden Tag einen neuen Song statt Aufbau einer eigenen Sammlung, die man immer wieder hört. Eigentlich ist der iPod für Apple mittlerweile ein zweischneidiges Schwert: In seiner klassischen (sehr erfolgreichen...) Form speichert er tatsächlich noch die Musikdateien, die der Kunde hören möchte. Urheberrechtlich handelt es sich also um eine "Verkörperung" des digitalen Gutes "Musik".
Der Kunde soll aber daran gewöhnt werden, nicht mehr Eigentümer des digitalen Gutes zu sein, das er dann folgerichtig auch nicht gekauft hat. Die Kulmination dessen ist dann B1 - Apples eigener Internet-Music-Radiostation. "We know what is good for you!" - diesen Slogan schrieb man in den 80ern dem Branchenriesen IBM zu, der dem Kunden im Rahmen eines "Rundum-Sorglos-Vertrages" die IT-Infrastruktur lieferte, die er für richtig hielt. Genau so entwickelt sich die Vermarktung digitaler Güter: Nicht der Kunde soll entscheiden, was er möchte, sondern der Anbieter lenkt den Kunden in Richtung der Güter, die er gerade haben wollen soll. Beim Online Shopping hat sich der Kunde bereits daran gewöhnt, am Seitenrand auch Mützen angeboten zu bekommen, wenn er nach Schals sucht. Genau so wird es bei der Suche nach digitalen Waren kommen, nur daß der Anbieter die Richtung der Suche noch besser kanalisieren kann. Frei nach dem Motto: Warum wollen Sie nicht die neue Single von XYZ hören, wenn das doch sonst alle möchten?

Und was im Kleinen funktioniert, wird auch bei größeren Waren nicht scheitern. Microsoft geht mit Windows 10 in genau diese Richtung. In den 70ern mietete man noch Rechenzeit auf fremden Rechnern, um dort eigene Software auszuführen; heute kauft der Kunde selbst die Hardware, auf der er anschließend gemietete Software laufen läßt...
Microsoft's Traum ist nur noch einen Klick weit entfernt: Der Kunde zahlt für die Nutzungsmöglichkeit seiner eigenen Hardware, wobei ihm das Betriebssystem darauf nicht mehr gehört. Das alte BGH-Urteil zur Standartsoftware (BGH NJW 1988, 406) als Sache mit der Folge der Sachmangelgewährleistung wird bald obsolet sein: Zwar gilt weiterhin der Grundsatz des Verkaufs mit urheberrechtlicher Erschöpfungswirkung bei Standartsoftware - dumm nur, das ja nichts mehr verkauft wird, sondern nur noch zeitlich begrenzt "lizensiert", also vermietet. Stehen wir vor der digitalen Enteignung?
Vielleicht muß der Staat in Zukunft auch darüber nachdenken, nach der "Hausbauprämie" zur Förderung von Eigentum eine "digitale Prämie" zu zahlen, damit der Bürger Herr seiner eigenen IT-Infrastruktur bleibt.